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Stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie hätten heute eine E-Mail von mir erhalten. Und darin steht: »Hallo, ich wiege 85 Kilogramm. Beste Grüße aus dem sonnigen Hannover, Gero Pflüger« Angenommen, dass Sie vorher noch nie von mir gehört hätten (und die Mail nicht in Ihrem Spam-Ordner gelandet wäre), welches Bild von mir hätten Sie im Kopf – bin ich fit oder bin ich fett?

Fit oder fett – E-Mail eines Unbekannten

Sofern Sie mich nicht kennen, wird Ihnen das Gewicht nicht helfen. Sie wissen nicht…

  • wie groß ich bin
  • wie alt ich bin
  • wie mein Hüftumfang ist
  • wie die Verteilung von Muskelmasse, Knochen und Fettgewebe bei mir ist
  • ob ich Sport treibe
  • welchen Sport ich treibe
  • ob mir mein Arzt gesagt hat, dass ich zu- oder abnehmen muss
  • ob ich innerhalb von 5 Jahren von 65 Kilogramm kam
  • ob ich innerhalb von 6 Monaten von 97 Kilogramm kam
  • ob ich das Gewicht seit 3 Jahren halte
  • ob ich eigentlich 78 Kilogramm wiegen sollte
  • und viele, viele andere Dinge auch nicht, die Sie aber wissen müssen, um meinen Fitness-Zustand einschätzen zu können.

(Ich kam übrigens auf ärztliche Anordnung innerhalb von sechs Monaten von 97 kg und halte das Gewicht nunmehr seit Jahren. Allerdings soll ich eigentlich auf 78 kg runter, was mir nicht gelingt, weil ich leider viel zu faul für Sport bin.)

Kilogramm für sich ist in dieser Betrachtung eine Vanity-Metrik. Was das genau ist, erläutere ich weiter unten. Um herauszufinden, ob ich fit oder fett bin, benötigen wir eine bessere Kennzahl. Die bekannteste (und zu Recht vielfach kritisierte) Kennzahl in diesem Zusammenhang ist der Body-Mass-Index (BMI). Mit ihm können wir herausfinden, ob wir Untergewicht oder Übergewicht haben oder genau richtig wiegen. Der BMI errechnet sich, indem wir unsere Körpermasse in Kilogramm durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat teilen. Das Ergebnis lässt sich dann anhand einer Tabelle bewerten. Mein BMI liegt bei – Moment, ich rechne kurz… 85 kg geteilt durch 1,78 m zum Quadrat… – bei 26,8 kg/m2. Und das bedeutet, dass ich wohl endlich mal mit Sport anfangen sollte, da das Normalgewicht zwischen 18,5 und 25 kg/m2 liegt.

Follower sind wie Kilogramm

Es gibt eine Reihe von Werten, die im Social-Media-Marketing für sich betrachtet genauso bedeutungslos sind wie die leidigen Kilogramm bei der Fitness. Alle sind ohne einen Zusammenhang mit anderen Werten sinnlos. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Anzahl der Follower, Fans, Abonnenten, Kontakte
  • Anzahl der Likes, Favs, Herzchen, Reaktionen
  • Anzahl der Kommentare
  • Anzahl der Shares
  • Anzahl der Views
  • Anzahl der Klicks
  • Anzahl erreichter Personen (Reichweite)
  • etc. pp.

Ja, Follower sind per se ohne Bedeutung. Und doch wollen viele Leute Follower kaufen, damit sie mehr davon haben. Aber all diese Werte sind sogenannte Vanity Metrics oder eingedeutscht Vanity-Metriken. Na toll, ausgerechnet das Wörtchen Vanity wird nicht übersetzt… Sie kennen das vielleicht von der Zeitschrift Vanity Fair, was so viel heißt wie Jahrmarkt der Eitelkeiten. Vanity bedeutet also Eitelkeit, aber auch Einbildung. Die Mehrzahl vanities sind Nichtigkeiten. Entsprechend begegnet es uns überall da, wo wir es mit Eitelkeiten zu tun haben: Vanity Mirror (Schminkspiegel), Vanity Case (Kosmetikkoffer), Vanity Bag (Kosmetiktasche). Und der aus den Schlumpf-Comics bekannte Modeschlumpf mit dem Handspiegel und der Blume hinterm Ohr ist der Vanity Smurf. Wenn Sie eine Vanity URL für Ihre Facebook-Seite haben, dann lautet die Adresse zu Ihrer Seite irgendwas in der Art von facebook.com/geropflueger statt facebook.com/pages/geropflueger/1444493129132151.

Vanity hat also etwas mit oberflächlicher Hübschheit zu tun.

Entsprechend sind Vanity Metrics als Erfolgskennzahlen vollkommen unbrauchbar. Sie können zwar oberflächlich Eindruck damit schinden (deshalb werden sie auch so fürchterlich gerne von Werbeagenturen präsentiert), aber eben doch nur den Anschein von Erfolg erwecken. Sie liefern keine Hinweise darauf, ob Sie eine gute Arbeit leisten und auch keinen Aufschluss über künftige Strategien und Herangehensweisen. Stattdessen verstellen sie Ihnen den Blick auf viel wesentlichere Kennzahlen, die Ihnen bei unternehmerischen Entscheidungen helfen und so zu Erfolg und Wachstum beitragen. Und darum schadet die Fixierung auf Vanity Metrics Ihnen und Ihrem Unternehmen. Lassen Sie das!

Doch genau wie Sie mit Kilogramm nützliche Kennzahlen errechnen können, können Sie auch Vanity Metrics nutzen, um sinnvolle Kennzahlen zu ermitteln.

Wie wird Erfolg im Social Web gemessen?

Sie sind nicht zum Spaß im Social Web unterwegs, sondern Sie wollen etwas erreichen. (Wenn Sie als Unternehmer oder Marketing-Mensch nur zum Spaß dabei sind, machen Sie definitiv etwas falsch.) Vielleicht wollen Sie etwas verkaufen, vielleicht wollen Sie besseren Support als eine Telefon-Hotline bieten, vielleicht wollen Sie auch einfach nur Ihre Kunden enger an sich binden. Was immer es ist, Sie müssen das zunächst einmal für sich formulieren und ein Ziel definieren.

Nehmen wir an, Sie seien Gastronom und möchten einen Ruf als Spitzenkoch aufbauen, damit das Fernsehen auf Sie aufmerksam wird und Sie einen Job als Fernsehkoch angeboten bekommen. Nun ist Ihr Streben, als Spitzenkoch anerkannt zu werden, noch kein Ziel, sondern bloß ein Wunsch. Mit Wünschen werden Sie allerdings nicht erfolgreich. Also benötigen Sie ein richtiges Ziel. Ein Ziel ist sinnvollerweise S.M.A.R.T., also spezifisch, messbar, anspruchsvoll, realistisch und terminiert. Wie können Sie nun Ihren Wunsch, den Ruf eines Spitzenkochs zu erreichen, S.M.A.R.T. formulieren?

Der Trick ist : Legen Sie eine Schlüsselkennzahl fest, anhand derer Sie erkennen, ob Sie Ihr Ziel erreicht haben. Die Frage ist nur, wie messen wir ein derartiges Ziel? Welche Schlüsselkennzahl bildet das im Social Web ab?

Auf den ersten Blick schon wird klar, dass Follower, Likes und Reichweite – die beliebtesten Vanity-Metriken – nicht dazu taugen, Ihren Erfolg zu messen. Denn keine sagt etwas über Ihren Ruf aus.

  • Selbst mehr als 2 Millionen Follower sind kein Erfolgsgarant, wie Influencerin Arii (2,6 Mio. Follower) feststellen musste, als sie eine Modelinie starten wollte. Sie konnte keine 252 T-Shirts vorab verkaufen und der Deal mit dem Hersteller der Klamotten platzte.
  • Was nützen Ihnen viele Likes auf das Instagram-Bild eines Ihrer Gerichte, wenn Sie nicht wissen, ob diese bloß dem hübschen Foto oder dem dazu veröffentlichten Rezept gelten, zumal derartige Interaktionen bei Instagram automatisiert durch Bots und Fake-Accounts – eine wahre Pest auf Instagram – stark entwertet werden?
  • Was nützt Ihnen Reichweite, wenn der Wert in Wahrheit nur bedeutet, dass Ihr Beitrag auf dem Bildschirm des Nutzers angezeigt worden ist, nicht aber, ob er wahrgenommen wurde? Denken Sie an ein Werbeblättchen, das ungelesen ins Altpapier wandert – die Reichweite, für die der Verlag Ihnen eine Rechnung stellt, ist trotz des Mülleimers vorhanden, die Aufmerksamkeit des Empfängers, für die Sie eigentlich zu bezahlen glauben, jedoch nicht. Reichweite sollte in dieser Betrachtung keine Rolle spielen!

Nun bietet Instagram aber eine Funktion an, die Ihnen in dieser Situation zupass kommt. Und zwar können Sie die sogenannten Saves zweckentfremden. Während ein Like mal eben schnell im Vorbeiscrollen gegeben werden kann (und das schnelle Vorbeiscrollen auch gleich die Reichweite um jeweils 1 erhöht…), speichern sich Nutzer Beiträge nur dann ab (engl. to save), wenn sie diese für besonders wertvoll halten. Sicher, das sind vergleichsweise wenige entsprechende Aktionen, dafür sind sie vielversprechend.

Wenn Sie die Anzahl der Saves mit der Beitragsreichweite verrechnen, kommen Sie auf einen Wert, der Vergleichbarkeit unter Beiträgen gleicher Art herstellen kann. Teilen Sie also die Anzahl der Saves durch die Reichweite des Beitrags und multipliziere Sie mit 100, so erhalten Sie so etwas wie die Speicherquote. Oder wie immer Sie den Wert auch nennen wollen. Nun beginnen Sie, diesen Wert bei all Ihren Rezept-Postings zu beobachten. Das hilft Ihnen zum Beispiel dabei,

  • die Relevanz einzelner Beiträge zu verstehen,
  • die Relevanz einzelner Hashtags zu verstehen und
  • Optimierungspotenziale für künftige Beiträge zu entwickeln

Wenn Sie Ihre Beiträge auf diese Art und Weise über die Zeit beobachten und optimieren, werden Sie feststellen, ob und wie sich diese Speicherquote verändert. Auch ich mache das und fordere meine Leser sogar dazu auf, meine Beiträge zu speichern – inklusive Anleitung (hier lustigerweise bei einem Rezept):

https://www.instagram.com/p/B1tbBVuFvrB/

Wenn Sie diese Voraussetzung geschaffen und Ihre Kennzahl definiert haben, können Sie Ihr S.M.A.R.T.es Ziel definieren, zum Beispiel so:

Innerhalb von 12 Monaten will ich meine monatliche durchschnittliche Speicherquote von aktuell 1,5 Prozent auf 3,0 Prozent steigern.

Vermutlich sollten Sie in diesem Zusammenhang dann auch ein zweites S.M.A.R.T.es Ziel verfolgen:

In den nächsten 12 Monaten will ich wöchentlich ein Rezept in meinem Instagram-Feed posten und jeweils zum Speichern auffordern.

Wenn Sie erst einmal nur die Metriken an sich beobachten wollen, dann machen Sie das meinetwegen. Aber auch hier: Stellen Sie Vergleichbarkeit her! Beobachten Sie zum Beispiel die vier Metriken Saves, SharesFollower und Reichweite im selben Diagramm und beobachten Sie, welche Veränderungen Sie sehen können. Wenn Sie Ihren Ruf als Spitzenkoch aufbauen wollen, sollten alle vier Kurven non-linear ansteigen.

Was gibt es für wichtige Kennzahlen?

Damit dieser Artikel nicht viel, viel, viel zu lang wird, beschränke ich mich auf zwei wichtige und häufig fälschlicherweise synonym benutzte Kennzahlen. Es handelt sich dabei um die Interaktionsrate und die Engagement Rate. Einen umfassenden Artikel dazu finden Sie unter diesem Link.

Was ist die Interaktionsrate?

Die Interaktionsrate misst, wie viele Interaktionen mit einem Beitrag entstehen und setzt diese Zahl in Relation zur Reichweite. Was nützt uns das? Nun, bei Facebook und anderen Plattformen wie Instagram und LinkedIn ist ein positiver Einfluss auf den jeweiligen Feed-Algorithmus anzunehmen. Sprich: Wenn die Interaktionsrate hoch ist, sollten Sie mehr Menschen organisch erreichen. Das kann zu einem Erfolgsfaktor werden.

Um die Interaktionsrate eines Beitrags zu ermitteln, werfen Sie zunächst einen Blick auf die Interaktionen mit Ihrem Beitrag, den Sie untersuchen wollen. Die Arten der Interaktionen fallen von Netzwerk zu Netzwerk stark unterschiedlich aus.

Twitter kennt zum Beispiel mit Retweets, Antworten, »Gefällt mir«-Angaben, Nutzerprofilklicks, URL-Klicks, Hashtag-Klicks, Detailerweiterungen, Permalink-Klicks, App-Öffnungen, App-Installationen, Follows, per E-Mail gesendeter Tweet, gewählte Telefonnummer, Medienanzeigen und Medieninteraktionen insgesamt 15 Interaktionen. Instagram kommt mit »Gefällt mir«-Angaben, Abonnements, Anrufe, E-Mails, Saves, Shares, Kommentaren, Profilaufrufen, Route planen, SMS und Website-Klicks immerhin noch auf 11. Facebook hat hingegen so viele Interaktionsmöglichkeiten, dass ich nicht weiß, ob ich überhaupt alle finde. So gibt es alleine schon 6 Reactions (von denen das ikonische Like nur eine ist), dann noch Kommentare, Shares, Link-Klicks, Video-Views, Bild-Klicks, Erwähnungen, negatives Feedback, Seitenbesuche und vieles, vieles mehr.

Um die Interaktionsrate eines Beitrags zu ermitteln, verwenden Sie diese Formel:

Interaktionsrate = (Summe sämtlicher Interaktionen) / Reichweite x 100

Sie sollten diese Berechnung erst nach einigen Wochen vornehmen, da sich bis dahin noch immer viel ändern kann.

Twitter hat hier eine dramatische Besonderheit: Es liefert in seinen Statistiken keine Reichweite (= Anzahl User, die einen Tweet sehen) als Wert, sondern Impressionen (= Anzahl der Darstellungen eines Tweets auf den Bildschirmen der User) und nutzt diese als Basis für die Berechnung der Interaktionsrate. Da aber sehr viel mehr Impressionen entstehen als es Reichweite gibt (auf Instagram, wo die Werte gut ablesbar sind, habe ich über meine letzten 10 Beiträge im Schnitt 66,97 % mehr Impressionen als Reichweite), verwässert das die Interaktionsrate teilweise dramatisch. Das oben schon gezeigte, willkürlich herausgegriffene Instagram-Bild mit einer Reichweiten-basierten Interaktionsrate von 8,1 % kommt bei einer Impressionen-basierten Interaktionsrate nur noch auf 5,7 % (jeweils zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels). Im Falle von Twitter steigt die Zahl der Impressionen, je mehr ein Tweet retweetet wird – Retweets aber sind einer der Hauptfaktoren für Erfolg auf Twitter! Daher ist die Interaktionsrate als Kennzahl für Twitter beinahe völlig belanglos – Sie können sie daher vernachlässigen.

Was ist die Engagement Rate?

Ein Engaged User – zu deutsch etwa aktiver oder auch involvierter Nutzer – klickt auf »Gefällt mir«, kommentiert oder teilt Beiträge, klickt auf einen Link, schaut sich das gezeigte Video an etc. Insofern ist die Engagement Rate ein Gradmesser der Aufmerksamkeit Ihres Publikums gegenüber Ihren Inhalten.

Im Gegensatz zur Interaktionsrate misst die Engagement Rate den Prozentsatz individueller Personen an der Reichweite, denen Ihr Beitrag gezeigt wurde und die sich dann auch tatsächlich mit ihm beschäftigt (vulgo interagiert) haben. Die Zahl der Interaktionen spielt dabei keine Rolle. Es nützt also nichts, die Interaktionen zu zählen. Ein einzelner User kann nämlich gleich mehrere Interaktionen ausgeführt haben. So könnte er zum Beispiel einen Beitrag mit »Gefällt mir« markiert, ihn kommentiert, geteilt, Ihr Video angesehen und auf einen Link geklickt haben – fünf Interaktionen bei nur einem User.

Weder bei Twitter noch bei Instagram findet sich eine entsprechende Zahl dieser aktiven Nutzer – was ziemlich blöd ist. Und auch Facebook ziert sich etwas, doch können Sie immerhin mit etwas Aufwand die Zahl aus Ihren Insights-Daten ermitteln:

  • Öffnen Sie die Insights Ihrer Facebook-Seite.
  • Klicken Sie oben rechts auf »Daten exportieren«.
  • Wählen Sie im Popup-Fenster die Option »Beitragsdaten«.
  • Wählen Sie den Datumsbereich der Beiträge, die Sie interessieren.
  • Schalten Sie um von .xls auf .csv (Excel zickt manchmal herum mit dem Dateiformat von Facebook).
  • Klicken Sie unten rechts im Popup-Fenster auf »Daten exportieren«.
  • Suchen Sie in der .csv-Tabelle, die heruntergeladen wird, nach den Spalten mit den Titeln Lifetime Post Total Reach und Lifetime Engaged Users und verwenden Sie die dort enthaltenen Daten für die folgende Formel:
Engagement Rate = Lifetime Engaged Users x 100 / Lifetime Post Total Reach

Auch hier gilt, dass Sie diese Berechnung erst nach einigen Wochen vornehmen sollten, da sich jederzeit Daten ändern können und Sie zu falschen Schlussfolgerungen kommen können.

Fazit

Nun wissen Sie, was Vanity Metrics sind und warum sie nichts taugen. Sorgen Sie lieber dafür, dass Sie Ihre Ziele mit vernünftigen Kennzahlen (auch Key Performance Indicators oder kurz KPI genannt) überprüfen. Achtung: Auch waschechte, eigentlich sinnvolle Kennzahlen können zu Vanity Metrics werden – etwa dann, wenn Sie mit Steigerungsraten auf extrem niedrigen Niveau operieren. »Meine Engagement Rate ist um 100 Prozent gestiegen!« nützt Ihnen nichts, wenn Sie jetzt ganze 4 statt nur 2 aktive Nutzer vorzuweisen haben.

Dieser Beitrag erschien erstmals im September 2019 und wurde seither 1x aktualisiert.

Beitragsbild: © vikiri – Adobe Stock