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Haben Sie schon einmal in den professionellen Social-Media-Netzwerken XING oder LinkedIn eine fantasielos zusammengetrümmerte Einladung erhalten, Kontakt eines anderen zu werden? Oder noch schlimmer: einfach eine Einladung vollkommen ohne Text? Kann man das überhaupt Einladung nennen? Ich erhalte wöchentlich etliche davon und ärgere mich über diesen Kontakte-Spam. Dabei ist es so einfach, Personen richtig einzuladen. (Bonus: Am Ende dieses Artikels habe ich eine kleine Galerie des Grauens für Sie vorbereitet.)

Aktuell (Stand November 2021) habe ich etwa 1.100 Kontakte auf XING und 1.600 auf LinkedIn. (Große Teile davon sind übrigens deckungsgleich, und jedes Jahr an meinem Geburtstag kann ich daher messen, in welchem Netzwerk meine Kontakte aktiver sind.) All diese Kontakte teilen sich in lediglich vier Kategorien:

  • ich kenne die jeweilige Person persönlich von Angesicht zu Angesicht oder ich habe zumindest ausgiebig mit ihr kommuniziert,
  • ich habe in der Vergangenheit mit ihr zusammengearbeitet,
  • ich arbeite jetzt aktuell mit ihr,
  • der Kontakt erscheint mir aus irgendeinem anderen Grund interessant.

Der letzte Grund erfordert, dass ich mich mit dem Profil des Kandidaten auseinandersetze. Ich betrete es also, schaue mir an, was der jeweilige Mensch macht und entscheide dann. Niemals allerdings akzeptiere ich eine Kontaktanfrage, die nicht in eine dieser vier Kategorien passt. Und so gut wie nie akzeptiere ich die Kontaktanfrage einer mir völlig unbekannten Person ohne zugehörige Nachricht. Daher lehne ich geschätzt 80 oder mehr Prozent aller Kontaktanfragen ab. Dabei wäre es doch so einfach, mich und weitere High-Profile-Nutzer der Business-Netzwerke als Kontakt hinzuzufügen! Derjenige, der den Kontakt haben möchte, müsste nur  einige wenige grundsätzliche Dinge bei seiner Kontaktanfrage berücksichtigen. Und das machen leider die wenigsten.

Auch etliche andere haben diese Erfahrung gemacht. Auf Twitter witzelte der Nutzer @LinkedInsider als Antwort auf meinen Tweet zu diesem Artikel:

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Eine typische Kontaktanfrage aus der Vergangenheit lautete auf LinkedIn zum Beispiel so:

Sehr geehrter Herr Pflüger, gerne würde ich Sie zu meinem Netzwerk hinzufügen, vielleicht ergeben sich gemeinsame Kooperationsmöglichkeiten oder Ideen! Mit freundlichen Grüßen […]

(Alternativ wird auch gerne orakelt, dass es ja auch zu einem »spannenden Austausch« kommen könnte – was immer das sein soll. Da berste ich geradezu vor lauter Spannung auf den Austausch.)

Eine andere, diesmal auf XING, ging so:

Hallo und guten Tag, wir sind im 2. Grade miteinander vernetzt. Gerne möchte ich Sie auch als Direktkontakt in mein berufliches Netzwerk auf XING einladen. Ich freue mich schon auf einen gelegentlichen Ideen- und Erfahrungsaustausch!

Sehr, nunja, äh, »schön« auch diese:

Ihr Profil ist mir eben gerade positiv aufgefallen. Ich würde mich sehr freuen mich auf XING mit Ihnen zu vernetzen. Ich bin sehr gespannt auf Sie und freue mich auf ein fruchtbares Netzwerken für uns beide.

Besonders dreist an dieser Kontaktanfrage: Obwohl der Absender behauptet, dass ihm mein Profil »eben gerade« positiv aufgefallen sei, hat er sich nicht die Mühe gegeben, es sich überhaupt anzuschauen (was ich als Premium-Mitglied bei XING ja problemlos sehen kann).

Abgesehen davon, dass es sich offenbar um eine personalisierte Massen-Kontaktanfrage handelt, dessen Verfasser vom AIDA-Prinzip noch nie etwas gehört hat, finden sich in diesem einen Satz gleich etliche No-gos für eine Kontaktanfrage.

1. Streichen Sie den Begriff »Netzwerk« aus Ihren Kontaktanfragen!

Der Anfragende fügt den Angefragten nicht seinem Netzwerk hinzu, sondern allenfalls seiner Kontaktliste – bitte nicht verwechseln! Zu einem echten Netzwerk gehört nämlich wirklich wesentlich mehr, als bei den Business-Networks in den Kontakten des anderen zu stehen. Zum Beispiel, dass man sich – möglichst persönlich – kennt, wenigstens gelegentlich miteinander arbeitet oder kommuniziert, ein regelmäßiges gegenseitiges Empfehlen und permanentes Auf-den-Vorteil-des-anderen-bedacht-Sein. Netzwerkzugehörigkeit ist verdient, nicht geschenkt! Wenn der Anfragende dann noch den Begriff »treten Sie meinem Netzwerk bei« verwendet, ist wirklich Hopfen und Malz verloren.

Ein Netzwerk kann ein sehr exklusiver Zirkel sein. Wenn es das aber ist, wird ganz sicher keine profane Einladung auf XING oder LinkedIn verschickt. Das sollten auch digitale Kommunikationsberater wissen:

Ein Partner für digitale Kommunikation, der seine Kunden im Social Web erfolgreich machen will, schreibt nicht solche Kontaktanfragen auf XING oder LinkedIn.
Ein Partner für digitale Kommunikation, der seine Kunden im Social Web erfolgreich machen will, schreibt nicht solche Kontaktanfragen auf XING oder LinkedIn.

2. Tilgen Sie das Wort »vielleicht« aus XING und LinkedIn!

Ich kann keinen Grund entdecken, jemanden wegen vielleicht oder möglicherweise mal irgendwann eintreffender Ereignisse zu meinen Kontakten hinzuzufügen. Täte ich das, hätte ich mittlerweile zwar Tausende Kontakte, aber gleichzeitig den Pro-Kopf-Wert meiner Kontaktliste mit jedem neuen »vielleicht«-Kontakt verringert. Ich lehne sehr häufig und in aller Regel ohne Begründung Kontaktanfragen ab, und das machen sehr viele High-Profile-Nutzer von XING und LinkedIn so. Schluss also mit dem vagen Herumgeeier! Werden Sie konkret!

3. Nennen Sie keine profanen Allerweltsgründe in Kontaktanfragen!

Wie sollen denn diese »gemeinsamen Kooperationsmöglichkeiten und Ideen« genau aussehen, von denen in gefühlt jeder dritten Kontaktanfrage gesprochen wird? Was soll das überhaupt sein? Besonders, wenn die »Möglichkeiten« mit »vielleicht« (siehe oben) gekoppelt werden, reduziert sich die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens dieser Möglichkeiten gegen Null, was jeder erfolgreiche XING- und LinkedIn-Nutzer weiß. Nennen Sie Ross und Reiter – sonst werden Sie nicht die Kontakte erhalten, die Sie haben wollen! Bleiben Sie außerdem nicht im Ungefähren, wie das etwa die Anfragenden in diesen Beispielen gemacht haben:

Weshalb genau findet dieser Mensch denn mein Profil interessant? Weshalb sollte ich mich mit ihm verXINGen wollen?

Was genau will der von mir…?

4. Verzichten Sie auf eine egozentrische Sichtweise!

Das vom Anfragenden höflich formulierte »Gerne würde ich Sie meinen Kontakten hinzufügen« heißt beim Angefragten übersetzt: »Da will mich jemand in seine Kontakte aufnehmen! Das ist aber gütig von ihm!« – Wir haben es hier mit einer völlig verkorksten Sichtweise auf die Sachlage zu tun: In dieser Kontaktanfrage wird dem Angefragten nicht gesagt, warum er für den Anfragenden interessant ist, sondern implizit behauptet, dass der Anfragende für den Angefragten interessant sei. Das funktioniert nicht! Verraten Sie also dem Angefragten immer, warum Sie ihn ganz konkret in Ihrer Kontaktliste haben wollen! Sagen Sie ihm auch, wo für ihn der Nutzen liegt, zu Ihren Kontakten zu gehören!

Bei einem »Storytelling-Experten« sollte ich eigentlich mehr erwarten können als so eine Platitüde. Oder? Abgesehen davon: Was ist denn mein Nutzen davon, wenn ich in seiner Kontaktliste stehe?

Am besten gibt es – das ist der Netzwerkgedanke – einen nachvollziehbaren, beiderseitigen geschäftlichen Vorteil. XING und LinkedIn sind Business-Netzwerke. Hier wollen Sie entweder Ihre eigene Karriere voranbringen oder Ziele Ihres Unternehmens verfolgen, etwa Personal gewinnen oder Geschäfte einfädeln. Mir gelingt das dort recht gut, wie ich in diesem Artikel beschreibe. Und zwar deshalb, weil mich bei XING und LinkedIn einfach kein »vielleicht« und keine »Möglichkeiten« interessieren. Es interessiert mich lediglich ein »was«, ein »wann« und ein »wie«. (Häufig münden meine Gespräche auf den Plattformen in einem firmeninternen Social-Media-Workshop, einem Social-Media-Coaching oder einfach bei einem Video-Beratungsgespräch. Die beiden Plattformen funktionieren sehr gut für Akquise-Tätigkeiten.)

Würde ich dem Anfragenden antworten, schlüge ich ihm vor, dass ich ihm ab der KW30 in einem Workshop beibringe, wie er sich auf XING und LinkedIn besser präsentiert und seine Conversion verbessern kann. Das wäre allerdings keine krude »Kooperationsmöglichkeit«, sondern ein ganz normales Geschäft, denn ich schule Unternehmer regelmäßig darin, mit Social Media erfolgreicher zu werden. So ein Workshop wäre dann übrigens gelegentlich auch der Start für ein wirkliches Netzwerken, denn bei solchen Gelegenheiten lernt man sich deutlich besser kennen als bloß per digitalem Kontakt. Auf diese Weise konnte ich schon zigfach Personen innerhalb meiner Kontaktliste miteinander bekannt machen, so dass die dann untereinander Geschäft machen konnten – und davon habe ich zunächst einmal gar nichts, aber das ist nun einmal Netzwerken. Ich bin übrigens nicht der Einzige, der sich von schlechten Kontaktanfragen genervt fühlt. Meine Kollegin Stefanie Norden von B2N Social Media Services schrieb mir:

Es fehlt noch der Klassiker der Begründungen: »Kontakte schaden nur dem, der keine hat!« … Bei mir hat sich die Anzahl unerwünschter Kontaktanfragen deutlich reduziert, nachdem ich aus dem »Suche«-Feld das Wort

Vernetzung

gestrichen habe. Seitdem wollen mich eigentlich nur noch Leute adden, die mich auch kennen und die mich nicht einfach nur über die Suchfunktion nach »Sucht Vernetzung« gefunden haben.

Stefanie Norden, B2N Social Media Services

5. Recherchieren Sie sauber!

Besonders befremdlich wird es – so empfinde ich es zumindest – immer dann, wenn jemand vorgibt, dass er sich mit mir auseinandergesetzt hat. Und das dann nachweislich gar nicht stimmt. Das kann das Beispiel von oben sein (»Ihr Profil ist mir aufgefallen«, aber er war gar nicht auf meiner Profilseite), aber auch die Bezugnahme auf irgendetwas in meinem Profil, das dort gar nicht steht. Sich auf das Profil des anderen zu beziehen, ist im Kontext der Einordnung des Kontaktwunsches grundsätzlich eine sehr gute Idee. Aber wenn Sie das schon tun, dann sollten Sie zuvor bitte sauber recherchiert haben. Frau Müller ist nun einmal nicht Herr Müller, und ich bin auch mangels passender Gesellschaftsform kein Geschäftsführer, sondern ein Inhaber.

Eine LinkedIn-Kontaktanfrage
Eine LinkedIn-Einladung zum Vernetzen nimmt Bezug darauf, dass ich »Geschäftsführer« sei, was in meinem ganzen LinkedIn-Profil nicht steht. (Diese Einladung hätte ich übrigens auch dann nicht angenommen, wenn da eine andere Berufsbezeichnung gestanden hätte. Siehe Punkt 3.)

6. Duzen Sie nicht ungefragt!

Mal ein Vergleich aus dem analogen Leben: Wenn ich zur Geburtstagsparty meines besten Freundes gehe, bei der alle Gäste aus unserer Alterskohorte stammen, dann duze ich auch die mir unbekannten Gäste. Hat hingegen ein Geschäftspartner zur Jubiläumsparty geladen, käme ich nicht im Traum darauf, die Leute dort zu duzen. Selbstverständlich sieze ich dort. Und ich erwarte ebenfalls, gesiezt zu werden. Wenn wir uns dann auf das zwanglose »Du« einigen – super! Aber nicht vorher.

Dieser Party-Vergleich gilt auch für digitale soziale Anlässe: Auch wenn es sich technisch betrachtet um Social Networks handelt, sind die Umgangsformen bei LinkedIn und XING deutlich förmlicher als etwa auf Consumer-Plattformen wie Facebook. Darum halten Sie sich bitte an die gesellschaftlichen Gepflogenheiten, wenn Sie dort jemanden kennenlernen möchten: Ihnen unbekannte erwachsene Menschen siezen Sie und sprechen sie mit Nachnamen an – alles andere ist grob unhöflich.

Dem Duzen oder Siezen auf Social Media habe ich einen ganzen Artikel gewidmet, den Sie unter diesem Link finden können.

LinkedIn-Kontaktanfrage mit multiplen Anfragefehlern, insbesondere einem jovialen »Du«.
In dieser Kontaktanfrage ist so ziemlich alles falsch, und das joviale »du« dieser mir unbekannten Person schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht.

Wofür ich übrigens absolut kein Verständnis habe: kostenlose und damit funktional eingeschränkte Basis-Mitgliedschaften. Warum nicht? Ganz einfach: Basismitglieder können auf XING zum Beispiel einer Kontaktanftrage keine Textbotschaften hinzuzufügen. Definitiv ein wichtiger Grund, die mit etwa 100 Euro netto für zwei ganze Jahre ziemlich günstige Premium-Mitgliedschaft zu erwerben (rund 4 Euro pro Monat).

Die Premium-Versionen von LinkedIn sind erheblich teurer als XING Premium und haben zudem ein ausgesprochen unübersichtliches Preismodell. Die günstigste und extrem versteckt angebotene Version nennt sich Premium Essentials und ist mit Stand Februar 2020 mit 10 Euro pro Monat bepreist. (Sofern Sie bereits LinkedIn-Premium-Mitglied sein sollten, können Sie dieses Angebot nicht einmal aufrufen.)

Dennoch: Sie wollen einen geschäftlichen Vorteil durch die Nutzung von XING und LinkedIn erzielen, oder Sie möchten Ihre Karriere voranbringen. Dann sollten Sie Willens sein, ein paar Euro pro Monat zu investieren. Und nur dann können Sie auch bessere Kontaktanfragen schreiben.


Zum Schluss: »Best of« schlechte Kontaktanfragen

Klicken Sie sich in dieser Diaschau des Grauens durch eine Vielzahl schlechter Kontaktanfragen, indem Sie auf die Pfeile am Bildrand klicken. Unter dem Bild schreibe ich, was mich daran im Einzelnen stört.

Wenn auch Sie seltsame Kontaktanfragen bekommen, machen Sie bitte einen Screenshot und senden Sie ihn mir doch mit ein paar erläuternden Worten an [email protected].


  • Ein Personalberater schreibt, er sei Vertriebler
  • Ein Finanzberater aus Köln glaubt, wir beide hätten gleichartige Interessen und schreibt mir darum natürlich auf Englisch. Der Sinn im Satz »Ich schlage Ihnen Kommunikation vor« bleibt mir jedoch verborgen.
 

Und ganz zum Schluss noch ein kleiner Bonus obendrauf! Meine liebe Kollegin Beate Mader hat ein Kontaktanfragen-Bullshit-Bingo gebastelt und mir die freundliche Genehmigung erteilt, das hier auf meiner Seite zu verbreiten. Herzlichen Dank, liebe Beate!

Schönstes Bullshit-Bingo von Beate Mader. Die Seite der Kollegin findet sich hier:
https://visionhochdrei.de